Jahresbericht als downloadbare PDF-Datei: Jahresbericht 2012
Liebe Spenderinnen und Spender,
Förderer und Freunde von materra,
ich freue mich sehr, Ihnen mitteilen zu können, dass Herr Dr. Maximilian Klar durch die Mitgliederversammlung im Januar zum neuen 1. Vorsitzenden gewählt wurde. Herr Dr. Klar ist Gynäkologe und Oberarzt an der Universitäts-Frauenklinik in Freiburg im Breisgau. Er gehört materra seit dem Jahre 2006 an. Er betreut speziell das Projekt in Kamerun und hat Kamerun im Januar besucht. Bitte lesen Sie seinen Reisebericht.
Unser Vorstandsmitglied Frau Nora Pistor befindet sich ab Mai 2013 zu einem einjährigen Promotions-Aufenthalt in Rangun/Burma. Sie wird dort in einer Feldstudie zum Thema Gender arbeiten.
Im Jahr 2012 hat materra die bestehenden mehrjährigen Projekte fortgeführt. Die Ausbildung von Krankenschwestern in der Demokratischen Republik Kongo ist abgeschlossen und es liegt uns ein Antrag zur Förderung eines weiteren Jahrgangs der Schwesternschule in Mosango vor.
Wir danken Ihnen für Ihre Treue und Unterstützung und bitten Sie auch in der Zukunft um Ihre Hilfe für unsere Arbeit.
Senta Möller
2. Vorsitzende Vorstand
materra – Stiftung Frau und Gesundheit e.V.
Kamerun
Das Gesundheitszentrum “Centre de Santé Soeurs des Anges“ befindet sich in Esseng, einem Dorf im strukturell schwachen Osten des Landes, etwa drei Autostunden östlich von Yaoundé, mit einem Einzugsgebiet von etwa 6000 Einwohnern. Neben dem Gesundheitszentrum existieren ein Kindergarten (für 100 Kinder) sowie eine Grundschule mit 250 bis 300 Kindern.
Das Dorf erlebt in den letzten Jahren die sozialen Konsequenzen der Abholzung im Osten des Landes: Verkehrsunfälle durch übermüdete Lastwagenfahrer, Alkohol und Prostitution.
Das Zentrum verfügt über ein Büro, ein Wartezimmer, und je einen Raum für Untersuchungen, Erste Hilfe sowie Entbindungen, zwei Krankenzimmer, ein Isolationsraum, ein Labor und ein Depot für Medikamente. Neu hinzugekommen (finanziert von BMZ und materra) ist ein Bau mit drei zusätzlichen Räumen: ein Warte- und Untersuchungszimmer sowie ein Stauraum.
Die von BMZ und materra finanzierte Solaranlage versorgt das gesamte Zentrum mit Strom. So konnten anlässlich der Reise Fortbildungsveranstaltungen und Seminare problemlos mit Laptop und Beamer unterstützt werden. Kühlschränke für die Medikamente funktionieren und der Brunnen versorgt das Zentrum mit Wasser, das gefiltert wird.
Wichtigste Laboruntersuchungen – wie beispielsweise Hämoglobin-Werte, HIVSchnelltest, HBs-Antigen, Blutgruppe inkl. Rhesusfaktoren – können vor Ort durchgeführt werden.
Zum Zeitpunkt der Projektreise waren drei polnische Schwestern anwesend, von denen zwei in leitender Funktion tätig sind, Sr. Ewa In im Gesundheitszentrum und Sr. Anna in der Schule. Daneben zwei examinierte Schwestern aus Yaoundé, ein Techniker, ein Apotheker und ein Laborant.
Einmal pro Monat findet eine Schwangerensprechstunde statt. Die Frauen werden in das Register des Gesundheitszentrums aufgenommen und erhalten ihr „Livre de Santé“. Gewartet wird in einem geschützten, schattigen Bereich, wo auch der Serologieund Impfstatus überprüft wird. Alle Abläufe sind professionell und routiniert, das gesamte Personal arbeitet motiviert und gewissenhaft.
Das Centre de Santé wird im Rahmen der begrenzten materiellen Möglichkeiten von Sr. Ewa exzellent betreut. Sie erfährt große Wertschätzung, verkörpert Autorität und hat ein ernstzunehmendes Bedürfnis, ihre Arbeit und ihr Team zum Wohle der Schwangeren von Esseng zu verbessern. Auf der Grundlage der sehr positiven Projektevaluation hat der Vorstand von materra beschlossen, das Projekt Esseng weiterzufördern.
Demokratische Republik Kongo
materra unterstützt in Mosango, 400 km östlich von Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, die vierjährige Ausbildung von 16 jungen Frauen, die dort die Krankenpflegeschule besuchen. Ende letzten Jahres konnten bereits zwei von ihnen ihre Ausbildung erfolgreich abschließen. Sie hatten bereits ein Jahr vor Beginn der Förderung durch materra mit der Ausbildung begonnen. Kubangila Lungoy arbeitet nunmehr als Krankenschwester in einem Gesundheitszentrum 25 km von Mosango entfernt und Mukwela Ngabisungu ist nun im Krankenhaus von Mosango beschäftigt. An die Stelle der Absolventinnen, die die Schule erfolgreich abgeschlossen haben, wurden zwei weitere Mädchen in das Förderprogramm aufgenommen.
Die Leistungen der weiblichen Krankenpflege-Anwärterinnen sind sehr ermutigend. Die Krankenpflegeschule in Mosango hat in der staatlichen Abschlussprüfung von insgesamt 48 Schulen das beste Ergebnis erreicht und die Schülerinnen haben die besten Noten der ganzen Provinz erzielen können. Alle bisherigen Absolventinnen konnten eine Anstellung finden. Einige davon im Krankenhaus in Mosango, andere wiederum in der Region.
Die Krankenpflegeschule in Mosango bildet seit September auch Hebammen aus. Sie ist damit die erste Krankenpflegeschule in der gesamten Provinz, die diese Ausbildung anbietet.
Die Fördermittel betrugen im Schuljahr 2011/2012 2.400.- € (150.- € pro Jahr und Auszubildende). Die Krankenpflegerinnen-Ausbildung wird gemeinsam mit der Organisation Lebenschancen International e.V. in Augsburg finanziert.
Laos
Unser Laos Projekt wurde im Dezember 2011 nach zehn Jahren erfolgreicher Zusammenarbeit an unsere laotischen Partner übergeben. Mit der University of Health Sciences in Vientiane, dem Gesundheitsministerium und den deutschen Sponsoren wurde eine dreijährige Nachbetreuungsphase (2012-2014) beschlossen. In dieser Zeit werden die von uns ausgebildeten laotischen Hochschullehrer alle Lehrverpflichtungen übernehmen. Auch werden weiterhin 7 bis 8 neue Ärzte pro Jahr in die Facharztausbildung aufgenommen. Seit Frühjahr 2012 versehen 10 neue Fachärzte ihren Dienst in Provinzkrankenhäusern.
Im Mai 2012 fand mit Freiburger Unterstützung der „5. Nationale Workshop der Laotischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe“ mit dem Schwerpunkt Pränataldiagnostik statt. Eine zentrale Anlaufstelle für Pränataldiagnostik in Vientiane ist geplant wie auch diesbezügliche Ausbildungsstipendien.
Zwei neue Unterrichtsmodule - „Hormonelle Erkrankungen der Frau“ und „Diagnose und Behandlung der Endometriose“ - wurden erarbeitet und dort vom Projektleiter M. Runge und Frau Dr. R. Schwab, Uni-Frauenklinik Freiburg, unterrichtet.
Das nunmehr 10 Jahre alte Ausbildungs-Curriculum für Frauenärzte wurde aufgrund unserer Erfahrungen und der Evaluierung des Jahres 2011 überarbeitet und von der Universität in Kraft gesetzt. Nachdem im Sommer 2012 noch drei Kolposkopie-Einrichtungen zur Krebsvorsorge installiert wurden, sind alle 17 Provinzkrankenhäuser, an denen die neuen Fachärzte tätig sind, damit ausgerüstet.
Afrika, Pazifik
Nach unseren erfolgreichen Ausbildungsprojekten in Südostasien erreichen uns immer wieder Anfragen mit der Bitte um Zusammenarbeit in der Ausbildung von Frauenärzten/ innen.
Unterstützt durch das „Zentrum für Facharztausbildung in Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Entwicklungsländern“ der Uni-Frauenklinik Freiburg besuchte Projektleiter M. Runge Lehrkrankenhäuser und Universitätskliniken in Ghana, Sambia, den Cook Islands und Mozambik.
In diesen Ausbildungszentren wurden im vergangenen Jahr Frauenärzte/Innen und Hebammen vom Projektleiter M. Runge insgesamt acht Wochen lang unterrichtet. Dr. Dietz von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) wird uns für eine Kooperation mit den drei Uni-Frauenkliniken in Mozambik (Maputo, Beira, Nampula) zur Verfügung stehen. Er hat seine Facharztausbildung ebenfalls in Freiburg absolviert und ist uns seit langem vertraut.
Tansania
Unser Projektgebiet liegt in Tansania, dem größten Land Ostafrikas am Indischen Ozean. Es grenzt an Kenia und Uganda im Norden, Ruanda, Burundi und die DR Kongo im Westen und Sambia, Malawi und Mosambik im Süden. Die Menschen sind arm. Sie verdienen durchschnittlich 400 Euro im Jahr, also etwas mehr als ein Euro am Tag. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei 58 Jahren, die Kindersterblichkeit bei 76 von 1000 (im Vergleich in Deutschland bei 4 von 1000). Jedes fünfte Kind ist unterernährt, nur die Hälfte der Bevölkerung hat Zugang zu medizinischen Einrichtungen.
Seit 2007 unterstützt materra seine Partnerorganisation NAFGEM (Network Against Female Genital Mutilation – Netzwerk gegen weibliche Genitalverstümmelung) im Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen an Frauen in Tansania.
Unser Projektgebiet, in dem NAFGEM arbeitet liegt in der Manyara-Region im Bezirk Simanjiro, Überreichung der Facharzturkunden (5. Jahres- im Norden Tansanias. Hier leben 141.676 Menschen, in erster Linie Maasai, ein Hirtenvolk, das von seinen Rindern und Ziegen lebt. Tradition hat bei ihnen oft noch einen höheren Stellenwert als Bildung oder Fortschritt. Trotz Schulpflicht werden viele Mädchen nicht zur Schule geschickt, stattdessen oft noch als Kinder im Alter von 10 -15 Jahren an ältere Männer zwangsverheiratet. Noch vor der Hochzeit werden sie an ihren Genitalien beschnitten.
Ein grausamer Brauch. Viele verbluten oder leiden ein Leben lang an schmerzhaften Infektionen, an denen wiederum viele sterben. Überleben sie dieses grausame Ritual bekommen sie, selber noch Kind, Kinder.
In den ersten 3 Projektjahren zwischen 2007 und 2010 hat NAFGEM mit Erfolg Aufklärungsarbeit geleistet und organisiert, durch Kampagnen in Schulen, Dörfern und Städten, mit Workshops, Seminaren, über Zeitungen, Radio und Fernsehen. Danach wurde die Projektarbeit von einem unabhängigen Team evaluiert mit dem Ergebnis, dass es NAFGEM tatsächlich gelungen ist, die Beschneidungen einzudämmen. Wenn Beschneiderinnen ihren Beruf trotz Verbot und Warnung weiter ausführten, wurden sie den Behörden übergeben.
In der zweiten Projektphase 2011-2013 wurde die Aufklärungsarbeit nochmals vertieft. Gleichzeitig begann NAFGEM in den angrenzenden Bezirken mit ersten Aufklärungskampagnen. Zu diesem Zeitpunkt, 2011, lag dort die Prävalenzrate der Genitalverstümmelungen bei 97 %. Zudem waren dort auch andere Menschenrechtsverletzungen an Mädchen weit verbreitet, wie zum Beispiel frühe Zwangsheirat, Verweigerung des Schulbesuches, familiäre Gewalt mit Prügel und Nahrungsentzug. Seit der Präsenz NAFGEMS in der Manyara – Region 2007 ist die Prävelenzrate der Genitalverstümmelungen dort kontinuierlich zurückgegangen: von 98 % im Jahr 2007 auf 70,8 % im Jahr 2010. Der Gesundheitsreport 2010 der Regierung nennt das Ergebnis einer Umfrage in diesem Gebiet: Nur 12,8 % der Frauen möchten, dass die Genitalverstümmelung fortgesetzt wird. 78,2 % sind dagegen. 8,9 % haben keine Meinung.
Bis heute wurden noch keine neuen Daten veröffentlicht, aber auch im neuen Projektgebiet ist die Änderung der Einstellung der Menschen gegenüber diesen schädlichen Praktiken deutlich zu fühlen. Im ersten Projektgebiet entstehen jetzt mehr Schulen, weil die Bevölkerung den Bedarf auch für die Mädchen erkannte, im Nachbargebiet, in dem NAFGEM jetzt 2 Jahre aktiv ist, wollen sich immer mehr Mädchen nicht mehr beschneiden lassen. Die jungen Maasai im heiratsfähigen Alter trauen sich immer öfter zu sagen, dass sie keine beschnittene Frau heiraten wollen. Darüber wird jetzt öffentlich diskutiert. Vor Jahren noch undenkbar. Nafgem gilt inzwischen für Regierung und Schulen als angesehener und anerkannter Partner. Immer mehr Mädchen suchen Hilfe bei dem Netzwerk, wenn ihre Familie uneinsichtig ist. NAFGEM kümmert sich um diese „Flüchtlinge“ und finanziert ihre Schulausbildung.
Mit Ihrer Spende an materra können Sie unsere Kooperation mit NAFGEM unterstützen. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gibt uns für jeden gespendeten Euro drei weitere dazu: 1 € Spende = 4 € gegen Genitalverstümmelung Wir danken Ihnen im Namen von NAFGEM!
Finanzbericht 2011 und 2012
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2012 |
2011 |
Spenden, Zuschüsse, öffentliche Mittel , Zinsen |
54.767 € |
96.056 € |
Projektkosten |
46.095 € |
96.426 € |
materra dankt den Spendern, Förderern und Sponsoren, sowie den folgenden Kooperationspartnern:
- Lebenschancen International e.V., Augsburg
- Netzwerk Rafael e. V., Hildesheim
- Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Bonn
- Somphon Schippers, Restaurant Rose, Laotische Küche, Stefan-Meier-Str. 34, 79104 Freiburg
Spendenkonto
Sparkasse Freiburg
Kontonummer: 2 148 654
BLZ: 680 501 01
Vorstand
Dr. Maximilian Klar, Frauenarzt
Senta Möller, Rechtsanwältin
Ursula Biermann, Wissenschaftsjournalistin
Hartmut Buchholz, Journalist
Prof. Dr. Regina Kiener, Fürsprecherin
Lehrstuhl für Staatsrecht, Verwaltungsrecht,
öffentliches Verfahrensrecht
Sabine Olivier-Britsch, Übersetzerin
Nora Pistor, Politologin,
Entwicklungshelferin Gender/ Frauenrechte
Prof. Dr. Michael Runge, Frauenarzt
Beirat
em. Prof. Dr. Ursula Ackermann-Liebrich,
Universität Basel
em. Prof. Dr. Meinert Breckwoldt,
Universitäts-Frauenklinik Freiburg
em. Prof. Hermann Hepp,
Universitäts-Frauenklinik München-Großhadern
em. Prof. Dr. Albrecht Pfleiderer,
Universitäts-Frauenklinik Freiburg
Prof. Dr. Marcel Tanner,
Tropeninstitut Basel